15. August 2018
«Basel ist im Personalized Healthcare Bereich gut aufgestellt»
Der technologische Wandel fordert die Pharmabranche heraus. Paolo Prisco, Leader Life Sciences bei EY Schweiz, und Thomas Gees, Leiter Business Development, erklären, wie Basler Pharmagrössen ihre Leaderposition auch in Zukunft behaupten können.
Die technologische Entwicklung schreitet rasant voran. Was bedeutet dies für die Life Sciences-Industrie?
Die Pharmabranche war lange eine Industrie mit hohen Eintrittsbarrieren, denn Forschung und Entwicklung sind sehr kapitalintensiv und mit beträchtlichen Risiken verbunden. Trotz dieser hohen Eintrittsbarrieren stossen nun aber neue Player in den «Health»-Markt vor.
Wie gelingt ihnen dieser Zugang?
Indem sie ihre eigenen Stärken einsetzen und Kompetenzen einbringen, die bei den Life Sciences-Unternehmen fehlen und diese somit ergänzen: Erhebung und Verarbeitung von Daten, Technologie und fast unbeschränkte Rechenkapazität. Entwickler von Gesundheits-Apps profitieren unter anderem davon.
Kann die Pharmaindustrie diese Veränderung als Chance nutzen?
Auf jeden Fall. Durch Zusammenarbeit und geschickte Wahl an Partnern, kann eine Pharmafirma Zugang zu Daten erhalten. Sind diese entsprechend aufbereitet, können sie zur Entwicklung von neuen, innovativen Angeboten führen.
Wie können die Unternehmen dabei vorgehen?
Die Chance bietet sich im Aufbau und/oder Teilnahme an Ökosystemen, die auf gemeinsamen Services und Dienstleistungen basieren, und die die Konvergenz von unterschiedlichen Industrien und Kulturen im Interesse der Patienten fördern. In diesen Systemen haben Start-ups ebenso Platz wie etablierte Unternehmen. Durch die Zusammenarbeit lässt sich die Agilität und Geschwindigkeit eines Start-ups mit der Finanzkraft und den eingespielten Prozessen eines grossen Unternehmens kombinieren. Jeder Player konzentriert sich auf das, was er wirklich gut kann und der Rest wird von einem anderen Spezialisten übernommen.
Nicht nur Start-ups dringen in den Life Sciences-Markt ein, sondern auch Technologieriesen wie Amazon, Apple, Samsung oder Alphabet. Was bedeutet dies für die Pharmaunternehmen?
Die Pharmafirmen sind nicht mehr exklusiv unterwegs, diese neue Konkurrenz muss man ernst nehmen. Jeder dieser Tech-Player hat seine Kernkompetenzen und ist auf seinem Gebiet unschlagbar. Amazon ist stark in Logistik und Datenverarbeitung; Google ist ein Spezialist für das Sammeln und Verarbeiten bzw. Analysieren von Daten. Apple verschiebt die Grenzen des Möglichen und kann als „Disruptor“ Märkte grundlegend verändern. Samsung profiliert sich in der Produktion unter Reinraumbedingungen und bei Time To Market. Bei der Produkteinführungszeit eines Biosimilars hat Samsung die etablierten Firmen beispielsweise klar geschlagen. Diese Unternehmen sind es gewohnt, Innovationen am laufenden Band zu liefern, und sie mussten sich immer auch auf den Kunden konzentrieren. Auf der anderen Seite besitzen diese Unternehmen noch nicht die Erfahrung und das know-how der Pharmaindustrie. In der Zusammenarbeit zwischen Life Sciences-Unternehmen und Technologie liegt deshalb die Zukunft.
Was sind die Auswirkungen auf die Pharmafirmen?
Der Eintritt neuer Players stellt eine Herausforderung aber auch eine Opportunität dar. Life Sciences Unternehmen müssen sich am Wandel der gesamten Industrie aktiv beteiligen, oder sie werden in der Zukunft immer weniger relevant. Roche und Novartis haben bereits seit einiger Zeit begonnen, durch Zusammenarbeit mit beispielsweise Qualcomm und anderen Firmen ein Ökosystem auf zu bauen. Tech-Firmen haben in Zusammenarbeit mit Kliniken Algorithmen entwickelt, die in gewissen Bereichen Bilddaten besser interpretieren können als Ärzte. Ein Beispiel dafür ist die Magenkrebserkennung auf Grund von Endoskopiedaten.
Personalisierte Medizin ist in aller Munde. Wie gut ist die Life Sciences-Region Basel aufgestellt?
Mit den zwei globalen Riesen Playern Roche und Novartis und Unternehmen wie die Straumann Group ist die Region Basel sehr gut aufgestellt. Roche hat den Begriff «Personalized Medicine» geprägt, bevor sonst jemand darüber sprach und macht jetzt mit dem neuen Begriff «Personalized Health Care» dasselbe. Man folgt dabei dem Leitbild «Doing now what patients need next». Die jüngsten Akquisitionen und Anwendungen zeigen, dass das Unternehmen dem treu geblieben ist. Novartis auf der anderen Seite konsolidiert sich gerade weiter. Die Ausgliederung der Augenheilsparte im Juni ist ein Beispiel dafür. Des Weiteren baut Novartis den Onkologiebereich aus und fokussiert auf die neusten Technologieansätze wie Immuntherapie. Und auch Straumann gilt als Vorreiter in der Digitalisierung.
Welche Chancen ergeben sich dank personalisierter Medizin?
Erkrankungen lassen sich gezielt behandeln in einer auf den Patienten zugeschnittenen Weise. Man setzt Medikamente ein, die präziser wirksam sind. Man spart damit einerseits Kosten, andererseits erhöht man auch die Erfolgschancen der Behandlung. Das hat langfristige Auswirkungen auf das gesamte Gesundheitswesen und erlaubt einen optimierten Einsatz von privaten und öffentlichen Ressourcen. Die Aufzählung liesse sich fortsetzen.
Herzlichen Dank für das Interview.
THOMAS GEES
Leiter Business Development
PAOLO PRISCO
Leader Life Sciences Schweiz
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